Pilates, die frühen Jahre
Joseph Hubertus Pilates wurde 1883 in
Mönchengladbach geboren.
Sehr früh in seinem Leben machte er Erfahrungen
mit alternativen Heilweisen, da seine Mutter
Naturheilerin (den Ausdruck Heilpraktiker gab es noch
nicht) und sein Vater ein bekannter Turner mit vielen
Preisen war. Aber das schützte ihn nicht davor,
ein zartes, schwaches Kind zu sein, er litt an
rheumatischen Fieber, Rachitis und Asthma. Durch diese
Krankheiten, die zu der damaligen Zeit Jahr für
Jahr Tausende das Leben kosteten, wuchs er mit dem
Gedanken auf überleben zu wollen. Dieses Erlebnis,
die Schwäche und der Mangel an Gesundheit legte
den Grundstein für seine Methode und bildete sein
Verständnis für die Zusammenhänge von
Geist und Körper der Schwachen und Kranken.
Schon als Junge begann er zu studieren, zu
praktizieren und auszuprobieren. Ein mit der Familie
bekannter Arzt schenkte ihm ein Anatomiebuch, über
das er sagte "ich lernte jede Seite und jeden Teil des
Körpers auswendig". Er ging zu den Bibliotheken
der Universitäten beschäftigte sich mit Yoga,
Zen Meditation, mit den Leibesübungen der alten
Griechen und Römer, mit Anatomie und in welcher
Beziehung sie zur Bewegung steht, mit dem großen
Ziel STÄRKER zu werden. Er versuchte jede
Übung und führte über seine Erfolge und
Verbesserungen Buch. Er beobachtete die Bewegungen der
wilden Tiere und bemerkte den Unterschied zum Menschen
im Gebrauch des Körpers, Sinn einer Bewegung und
der Anmut eines Tieres. Die Philosophie des Abendlandes
und des Ostens machte großen Eindruck auf ihn, zu
der er späterhin immer wieder Bezug nahm. Aus
"Mens sana in corpore sano" machte er sein Motto "a
healthy mind in a healthy body". Als er 14 Jahre alt
war, galt er als begabter Skiläufer, Turner und
Kampfsportler, er entwickelte einen Körper, der so
stark und so fit war, daß er für anatomische
Bilder posierte.
Durch sein Wissen änderte er seinen Körper.
Das war der Schlüssel zu seinem Erfolg und der
Erfolg seiner Methode.
Der Geist beflügelt, von dem Wunsch sich zu
verändern und sich zu verbessern, transformiert
den Körper. Er hatte seinen Körper
transformiert und konnte damit beginnen, die
Körper anderer zu transformieren. Diese Haltung
behielt er für den Rest seines Lebens bei. Sein
Wissensdurst machte aus ihm einen eifrigen Leser. Seine
persönliche Bibliothek enthielt eine Menge
Bücher über mentale und geistige Gesundheit
und über Sexualität. Seine Übungen und
sein Wissen veränderte sich, je mehr Körper
mit den verschiedensten Problemen er kennenlernte.
Pilates fuhr fort in seinem Bestreben den Geist und den
Körper zusammmenzubringen. Er konzentrierte sich
darauf wie der Geist den Körper formt durch den
Geist. Und am Ende kam er bei seiner eigenen
Kombination an: einer körperlichen Kunstform
(the art of doing).
ENGLAND
Einige Jahre später soll Pilates die Elitetruppen
des Kaisers trainieren, er weigert sich, statt dessen
geht er nach England um als Boxer zu trainieren. Das
ist das Jahr 1912, dort arbeitet er als Zirkusartist
und Lehrer für Selbstverteidigung mit den
Detektiven von Scotland Yard. Um 1914 war er schon
bekannter und tourte mit seiner Truppe durch Europa. Er
und sein Bruder Fred traten als griechische Statuen
auf. Dann brach der erste Weltkrieg aus und zusammen
mit anderen deutscher Nationalität wurde er in
Lancaster interniert, in einer alten Waggonfabrik als
alien enemy. Die Kriegszeiten konnten seinen
Enthusiasmus nicht bremsen, er unterrichtete Ringen und
Selbstverteidigung in dem Lager, immer behauptend seine
Leute seien vor der Internierung schwächer gewesen
als danach. Während dieser Periode begann er
Serien von Übungen zusammenzustellen und ein
System zu erarbeiten, daß bald als
contrology bekannt wurde. (Pilates nannte sein
System niemals Pilates, er nannte es
contrology, die Kunst der Bewegung, aber der Name
setzte sich niemals durch).
Während der Krieg noch im vollen Gange war, wurde
er in ein anderes Lager auf der Isle of Man verlegt,
und wieder vom Kriege unerschrocken, begann er mit
seinen Mithäftlingen zu arbeiten und wurde eine
Art Sanitäter für die vielen
Kriegsverletzungen und Krankheiten. Viele von ihnen
waren bettlägerig, also verfeinerte Joseph seine
Methoden und fing an aus den Krankenhausbetten Apparate
zu machen, indem er den Bettrahmen, Strippen und
Bänder benutzte. Diese Apparate erlaubten seinen
Patienten, im Liegen Bewegungen zu machen, so daß
sie wieder stabil wurden und ihre muskulären
Funktionen und Bewegungsfähigkeiten
zurückgewannen. Dieser große Fottschritt
führte zu seinem späteren Gerätedesign.
In den Jahren 1914 bis 1918 brachte eine Grippewelle
mehr Menschen um als der Krieg, Zehntausende auf den
britischen Inseln, aber keiner von Josephs
Gefolgsleuten starb, was bemerkenswert ist, da es
gerade die Lager waren, die am stärksten von dem
Virus betroffen waren. Weiterhin bestimmte der
Lagerleiter, daß Pilates Training für alle
im Lager obligatorisch wurde: die Häftlinge, die
Wärter und ihn selbst den Lagerleiter.
ZURÜCK IN DEUTSCHLAND
Nach dem Krieg ging Joe zurück und setzte in die
Praxis um, was er in den Kriegsjahren gelernt hartte.
Er verfeinerte seine Geräte und Apparate und
begann mit der Hamburger Militärpolizei zu
trainieren.
Pilates sagte: "Ich habe alle diese Apparate zu einem
bestimmten Zweck erfunden. Bis 1925 habe ich mit meinen
rheumatischen Patienten Übungen gemacht bis ich
dachte warum soll ich meine Kraft aufwenden?
Also machte ich ein Gerät, daß das für
mich tat. Sehen Sie, es gibt Ihren Bewegungen einen
Widerstand auf genau die richtige Weise, so daß
Ihre inneren Muskeln wirklich dagegen arbeiten
müssen. Auf diese Weise können Sie sich auf
die Bewegung konzentrieren, sie müssen es immer
sanft und langsam tun, damit der ganze Körper
daran beteiligt ist."
Seine Übungsmethode bekam Unterstützung aus
der Welt des Tanzes besonders durch Rudolph v. Laban,
dessen Tanznotationsystem bis auf den heutigen Tag
gilt. Er integrierte einige von Joes Theorien und
Übungen in sein eigenes System. Auch Mary Wigman
eine berühmte deutsche Tänzerin und
Choreographin, war eine Schülerin von Joe und
benutzte seine Übungen in ihren Klassen.
AUF NACH AMERIKA
Seine Arbeit wurde um 1925 herum bekannter und er wurde
gebeten, die neue deutsche Armee zu trainieren, die
Hitler aufbaute für die Mißachtung des
Versailler Vertrages. Wieder verweigerte Joe und
entschied sich noch einmal Deutschland zu verlassen. Er
nahm den Rat an von Net Fletcher (der Gründer des
Ring Magazins) und mit der Hilfe von Max Schmeling,
einer Boxerlegende, der auch ein guter Freund war,
entschied er nach Amerika zu gehen. Max Schmeling
gewann mit seiner Hilfe die Boxmeisterschaft und
wollte, daß er seine Methode der Veränderung
des Körpers allen zugänglich machte. Auf dem
Weg nach Amerika traf er Clara: eine intelligente
Krankenschwester, sorgsame Kindergartenlehrerin, die
seine zweite Frau wurde (über die erste ist nichts
bekannt). Sie hatte arthritische Schmerzen und auf der
Überfahrt arbeitete Pilates mit ihr, sie wurde
seine lebenslange, berufliche Partnerin.
Sie kamen 1926 in New York an, und eröffneten ein
Gymnastikstudio in der 939th Avenue. Das Studio war in
dem gleichen Haus, in dem auch George Balanchine und
das New York City Ballett untergebracht waren, so
daß viele Tänzer das Studio besuchten ebenso
wie viele andere Künstler wie Laurence Olvier,
Katherine Hepburn, Yehudi Menuhin, James Stewart
… Balanchine trainierte bei "Joe's" und sandte
viele seiner Tänzer zu ihm, dort wurden sie
stärker, ausbalanciert und erhielten eine
Behandlung ihrer Verletzungen. Er war so angetan von
Pilates Methoden und Bewegungsformen, daß er sie
auch für sein Stück "the seven deadly sins"
verwandte. Er nannte Joseph den "Wissenschaftler des
Körpers". Hanya Holm, eine Pionierin des modernen
Tanzes, war eine eifrige Studentin und brachte viele
von Joes Übungen in ihr Programm und sie sind bis
heute Teil der "Holm Technik". Eine andere
berühmte Choreographin war Martha Graham, sie
empfahl die Methode nicht nur ihren Tänzern,
sondern bezog auch viele seiner Übungen in ihre
eigene Methode mit ein.
Von 1939-1951 gingen Joe und Clara jeden Sommer nach
Jacobs Pillow, einem bekannten Dance-Camp in den
Berkshire Mountains. Er wurde Freund des bekannten
Tänzers und Choreographen Ted Shawn ebenso wie
Ruth St. Denis und Jerome Robbins, der auch seine
Tänzer zu Joe schickte. Joe hat niemals die
Verbindung zu der Tänzerwelt verloren, die auch
sehr früh die Vorzüge seiner Übungen
erkannte und die Methode lebendig erhielt. Für
Stars wie Natalia Makarova und und Studenten aus der
ganzen Welt gehört Pilates zu ihrer normalen
Tänzer-"Diät". Für Dekaden widmete
Pilates sein Leben, andere Menschen zu trainieren,
seiner Methode, der Erfindung neuer Geräte und
Apparaturen, oder die schon existierenden zu
verändern.
Bis in seine 80er Jahre war Pilates ein perfektes
Modell seiner Methode: er hatte weiterhin unglaubliche
Kraft und Energie und führte sein Studio allein.
1967 starb er an einem Lungenemphysem. Viele denken,
daß er in einem Feuer in seinem Lagerraum
umgekommen sei oder daß er an den Folgen der
Verletzungen dieses Brandes starb. Clara starb
1977.
Nach Josephs Tod
Als Joseph starb, hinterließ er kein Testament.
Nichtsdestotrotz blieb seine Arbeit. Roman Kryzanowska
übernahm sie, da sie mit Joe seit den frühen
1940er Jahren zusammenarbeitete nachdem sie eine
Empfehlung von ihrem Lehrer George Balanchine erhlaten
hatte. Nach einigen Jahren in Peru folgte sie in den
1950er Jahren dem Angebot Claras und wurde Direktor des
New Yorker Studios. Sie widmete sich der Aufgabe,
Josephs Methode genau so zu unterrichten, wie sie es
gelernt hatte und daß tut sie bis zum heutigen
Tag zusammen mit ihrer Tochter Sari Meja Santo in
"Dragos Gym" in New York.
CLARA
Joseph war der extrovertierte Typ, während Clara
viel stiller war und sich sehr dafür
interessierte, den Kranken und Verletzten zu helfen.
Sie brachte ihre Geduld, nährende Einstellung und
ihre sorgfältige Aufmerksamkeit ein. Joe war schon
immer etwas rauher. Die große Anzahl an
ausgebildeten Trainern, die wie Clara unterrichten,
machte die Methode viel zugänglicher. Ihre
speziellen Techniken zeigen sich darin, wie wir heute
mit den meisten Klienten umgehen. Man könnte
sagen: Wir unterrichten seine Methode mit ihren
Händen.
Clara und Joe hatten keinen Nachwuchs.
Eine lebende Verwandte ist Mary Pilates, die Tochter
seines Bruders, der auch contologist war und
Joseph bei der Konstruktion seiner Geräte half.
Mary Pilates ist heute 83 und unterrichtet in ihrem
Studio in Florida. Joseph sagte, daß er seiner
Zeit 50 Jahre voraus wäre und in der Tat,
während seine Methoden durch die Tanzcompagnien,
durch die Studios seiner Trainer und als eine Art
Physiotharapie ums Überleben kämpfte,
erfährt sie seit den letzten 12 Jahren einen Boom.
Sicher wäre er mit den vielen neu entstandenen
entkoffeinierten Versionen, die davon im Umlauf sind,
nicht sehr glücklich. Aber es gibt genug
seiöse Trainer und Studenten, die seine Methode
lebendig halten werden auch wenn die Mehrheit der Welt
es als eine vorübergehende Erscheinung betrachtet,
sie wird überleben!